- Der Louvre in Paris geht in die Restitutions-Offensive: Das französische Nationalmuseum bestückt erstmals Säle mit „herrenlose“ Werke.
Gemälde-Chef Sebastien Allard in einem der neuen Louvre-Säle, in dem „herrenlose“ Werke ihre Besitzer finden sollen.
© ap/Christophe Ena
Paris. Die Säle liegen gleich am Ende der Rubensgalerie, einem der meistbesuchten Ausstellungsräume des Louvre in Paris. Noch fehlt die große Informationstafel, die darauf hinweist, dass hier sogenannte MNR ausgestellt sind – Werke, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den französischen Nationalmuseen mit dem Auftrag übergeben wurden, die rechtmäßigen Eigentümer zu finden. Darunter Raubkunst und Bilder, die über den deutschen Galeristen Hildebrand Gurlitt gehandelt wurden, einem der Haupteinkäufer für Hitlers Museum in Linz. „Wir wollen damit Sensibilisierungsarbeit leisten. Ziel ist es, sie den rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben, denn diese Werke gehören uns nicht“, sagte Sebastien Allard, Direktor der Gemälde-Abteilungen des Louvre. Man sei nur vorübergehender Hüter.
Mit dieser Initiative reagiert das Museum auf eine immer wiederkehrende Kritik wegen seiner – und generell Frankreichs – schleppender Provenienzrecherche. Die Eröffnung der beiden Säle sei unter anderem eine Antwort darauf, so Allard. Auf der Liste der MNR, der Musees Nationaux Recuperation, stehen mehr als 2000 Werke, darunter Gemälde, Zeichnungen und Möbel. Das Verzeichnis besteht aus Werken, die von den Nazis beschlagnahmt wurden sowie aus Verkäufen unter Zwang und aus Not. Etwa 1752 Kunstwerke wurden dem Louvre anvertraut, darunter 807 Malereien, 296 befinden sich in Paris, der Rest wurde als Leihgaben auf mehrere Museen landesweit verteilt, um deren Sammlungen zu ergänzen. Mehr als 30 Werke hat der Louvre nun in den beiden Sälen vereint, darunter die um 1862 entstandene Landschaftsdarstellung „La Source du Lison“ von Theodore Rousseau. Die Interieurmalerei gegenüber stammt von Januarius Zick, der als Hauptmeister der deutschen Malerei des Spätbarocks gilt.
Der Spiegel
deutschen Geschmacks
Die Auswahl spiegle die Schulen wider, für die sich die Deutschen interessiert haben, so Allard. Meisterwerke im engeren Sinn seien wenige dabei, dafür Arbeiten, die historische Bedeutung hätten. Nur ein Teil der Exponate sei NS-Beutekunst, unter den Exponaten sind auch Werke, die von dem deutschen Händler Gurlitt gekauft und wiederverkauft wurden. Auch aus der Sammlung von Joachim von Ribbentrop, zwischen 1938 und 1945 Reichsminister des Auswärtigen Amts, sind Werke zu sehen. Ribbentrop gehörte zu jenen NS-Führern, die ab 1933 begannen, sich umfangreiche und wertvolle Sammlungen aufzubauen.
Von den 100.000 unter nationalsozialistischer Herrschaft nach Deutschland gebrachten Kulturgütern wurden mehr als 60.000 nach Kriegsende wieder an Frankreich zurückgegeben. Rund 45.000 fanden bis 1949 ihre legitimen Eigentümer wieder, etwa 13.000 Objekte wurden Anfang der 50er Jahre verkauft, weil sich keine Besitzer gemeldet hatten. Die übrig gebliebenen 2143 wurden dem französischen Staat zur Aufbewahrung übergeben, mit dem Auftrag, ihre rechtmäßigen Eigentümer zu finden. Seitdem wurden mehr als 50 Werke restituiert. Im Durchschnitt bedeutet das eine Rückgabe alle eineinhalb Jahre.
Alles sei etwas langsam, man hätte es anders tun können, erklärte 2014 die damalige Senatorin Corinne Bouchoux am Rande einer Zeremonie im französischen Kulturministerium, bei der drei Werke an die rechtmäßigen Besitzer feierlich übergeben wurden. Mit den zwei MNR-Sälen geht der Louvre nun in die – späte – Offensive.