Von Adrian Lobe
- Amazon treibt die Automatisierung mit vollem Tempo voran. Werden die Angestellten bald überflüssig?
Amazon-Vertriebszentrum. Bald gänzlich ohne Menschen?© picturedesk
Amazon-Vertriebszentrum. Bald gänzlich ohne Menschen?© picturedesk
Seattle. Als Jeff Bezos 1994 seinen Online-Versand Amazon.com gründete, fuhr er die Pakete mit seinem Chevrolet Blazer noch selbst zur Post. Heute ist Amazon mit 566.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 178 Milliarden Dollar (mehr als das Bruttoinlandsprodukt von Neuseeland) ein weltumspannendes Unternehmen. Der Konzern verkauft Bücher, Computer, Lebensmittel, produziert eigene Serien und hat mit seiner Sprachsoftware Alexa in zehn Prozent der US-Haushalten einen virtuellen Kundenberater stehen. Amazon plant sogar einen eigenen Paketdienst, der Versendern wie UPS und Fedex Konkurrenz machen soll.
Es ist ein veritabler „Everything Store“, wie Brad Stone seine brillante Bezos-Biografie überschrieb – ein gigantischer Gemischtwarenladen. Amazon ist an seinem Stammsitz in Seattle mit seinem neuen gewächshausartigen Hauptquartier so präsent, dass man fast von einer Company Town sprechen könnte, wie sie der Schlafwagen-Fabrikant George Pullman nahe Chicago („Pullman City“) errichten ließ – eine patriarchalisch geplante Arbeitersiedlung aus Backstein, die sich um die Fabrik gruppierte.
Bei Amazons Suche nach einem zweiten Hauptquartier unterbieten sich die Kommunen mit teils dubiosen Standortvorteilen. Die Stadt Fresno in Kalifornien bot dem Online-Riesen ein 100-jähriges Steuerabkommen an, bei dem die Einnahmen in einem „Fonds“ gemeinsam verwaltet und Amazon Zugriff auf die Steuergestaltung und Ausgabenpolitik bekäme. Der Deal: 15 Prozent der Steuern blieben in den Kassen der Kommune, die restlichen 85 Prozent und damit der Löwenanteil würden in Amazon-Projekte fließen. Die Stadtkasse wäre damit ein durchlaufender Posten im Budget des Online-Händlers, der Kämmerer würde zum Außendienstmitarbeiter von Amazon degradiert.
Amazon ist aber vor allem – und das gerät bei den Expansionsbestrebungen etwas in den Hintergrund – ein Roboterunternehmen. Amazons Wachstum wird insbesondere durch Robotik und Fortschritte künstlicher Intelligenzen angetrieben. Die Robotiksparte Amazon Robotics, die aus der Übernahme des Lagerroboterherstellers Kiva Systems, der 2012 für 775 Millionen US-Dollar aufgekauft wurde, hervorging, ist der zentrale Antriebsstrang des Unternehmens. Die orangefarbenen, rund 145 Kilogramm schweren Roboter, die mit einer Geschwindigkeit von acht Kilometern pro Stunde zwischen den Regalen umherkurven, sind so etwas wie die „Lasttiere“ der Logistikmaschinerie – sie können Lasten von bis zu 317 Kilogramm transportieren. Ohne die maschinellen Lageristen könnte Amazon das riesige Auftragsvolumen (vor allem in der Weihnachtszeit, wo allein in den USA täglich sieben Millionen Pakete versandt werden) kaum bewältigen. Durch die Automatisierung des Sortier- und Packprozesses lassen sich erhebliche Effizienzgewinne erzielen. Vor allem: Die Roboter streiken nicht, fordern keine Lohnerhöhung und organisieren sich nicht in einer Gewerkschaft. Amazons Profitabilität gründet vor allem auf einer Roboterarmee. Und diese Roboterarmee ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen – von 15.000 im Jahr 2014 auf 45.000 im Jahr 2016.
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